Der Höchste Weg ist nicht schwierig, wenn man nicht wählerisch ist.
Suttas sind die von Buddha Shakyamuni überlieferten Diskurse. Sie enthalten auch Geschichten über ihn selber und andere wichtige Figuren aus dem Frühbuddhismus. Die Suttas sind daher den ursprünglichen Lehren am nächsten. Es scheint mehr als 10’000 zu geben. Ihre Übertragung während des ersten halben Jahrtausends erfolgte hauptsächlich aus dem Gedächtnis, da das Äquivalent von Papier, damals Palmblätter, nur eine kurze Lebensdauer hatte. Man nimmt an, dass die Lehrreden in Klostergemeinschaften rezitiert (chanting) wurden, wobei die Gemeinschaft gleichzeitig für die Richtigkeit der Wiedergabe kontrollierte. Das Konzept: Eine Kerngruppe mit stabilem Auswendiglernen. Mitglieder gehen und kommen. Dabei wird der Inhalt von den alten auf die neuen Mitglieder übertragen, die somit Teil der neuen Kerngruppe werden.
Den Schriften zufolge hatte Ananda, ein Hauptschüler Buddhas und zweiter Patriarch, das beste Gedächtnis aller Mönche. Auf dem Ersten Buddhistischen Konzil, kurz nach dem Tod des Buddha, soll er viele Diskurse rezitiert und viele andere auf Richtigkeit überprüft haben. Historiker warnen aber, das dies wahrscheinlich eine Legende ist. Ich denke Mönche und Nonnen haben gut verstanden, welches die wichtigsten Lehren waren und welche vorrangig in Bezug auf Genauigkeit und Erhaltung bevorzugt werden mussten. Ashoka, ein indischer Herrscher des dritten Jahrhunderts v. Chr., der Buddhist wurde, hinterliess Steinsäulen mit buddhistischen Inschriften. Sie sind der erste greifbare Beweis des Buddhismus, aber nicht der eigentlichen Lehrreden. Die älteste schriftliche Dokumentation, der Pali Canon, stammt aus der Zeitenwende.
Buddha passte seine Lehrreden an die jeweilige Situation an, wobei er die Fähigkeit seines Publikums seine Lehre zu verstehen miteinbezog. Darüber hinaus waren die Lehrreden häufig folgendermassen strukturiert:
1. Ort
2. Zeit
3. Herkunft des Publikums
4. Geisteshaltung des Publikums
5. Die Lehre als solche
Die allererste Lehre
2. Anicca Sutta
Unbeständigkeit, alles ist Prozess
Nicht-Selbst, das Selbst ist die Illusion, welche zählt
Die Art, wie Karma funktioniert
Meditation welche von Buddha gelehrt wurde
6. Kalama Sutta
Wichtigkeit der diskriminierenden Gedanken und Vertrauen in die eigene Erfahrung und das eigene Urteil
Burmesisch-Pali Manuskript Kopie des buddhistischen Mahaniddesa Sutta
Die allererste Beschreibung seiner tiefsten Erfahrung an fünf Asketen, seine ehemaligen Gefährten, die, nachdem sie Zweifel geäussert hatten, seine Einsicht als überlegen akzeptierten und seine ersten Schüler wurden. Der Name des Sutta bedeutet, Das Rad des Dhammas in Bewegung setzen. Der Anlass der Lehre wird als Das erste Drehen des Dharmarades bezeichnet. Es fand in Sarnath statt, einem offenen Raum in der Nähe von Varanasi.
Dieses Sutta, allgemein bekannt als Die Vier Edlen Wahrheiten und die berühmteste, hat eine Logik: Leiden (Dukkha genannt) ist eine Wirkung, die eine Ursache und eine Heilung hat:
1. Es gibt dukkha (Leiden)
Leiden ist ein Merkmal aller fühlenden Lebewesen
2. Dukkha hat eine Ursache
Verlangen nach Existenz
3. Dukkha kann geheilt werden
Durch Loslassen des Verlangens
4. Die Heilmethode
Folge dem Achtfachen Pfad
In der Medizin folgen wir bis heute der gleichen Logik:
1. Es gibt Symptome
z.B. Schmerzen
2. Die Symptome haben eine Ursache
z.B. eine Verletzung
3. Gibt es eine Heilung?
Hat die Krankheit einen Namen, eine bekannte Heilmethode?
4. Was ist die Therapie?
Für die Krankheit, oder wenn die Krankheit unbekannt ist, für die Symptome
Diese Leitstruktur findet sich bereits in der altägyptischen Medizin, wie im Papyrus Ebers (eine Sammlung von medizinischen Texten). Das ist von Interesse, weil meines Wissens damals keine Kommunikation zwischen den alten Kulturen von Indus und Nil stattgefunden hat (es scheint ein Jahrhundert später mit Alexander dem Großen begonnen zu haben). Es sieht so aus, als hätten die alten Hindus und alten Ägypter das Denken um Krankheit und die Hoffnung auf Heilung auf die gleiche Weise organisiert und das Elend von Geist und Körper mit derselben Struktur angegangen.
Für Praktizierende des Dharma ist Der Achtfache Pfad die Methode, die Therapie, die sie implementieren möchten. Der Achtfache Pfad besteht aus acht Übungsschwerpunkten:
1. Rechte Anschauung
2. Rechte Gesinnung
3. Rechte Rede
4. Rechtes Handeln
5. Rechter Lebenserwerb
6. Rechte Anstrengung
7. Rechte Achtsamkeit
8. Rechte Meditation
Richtig bedeutet richtige Motivation zum Üben sowie die richtige Art zu üben. Einige Hinweise:
1. Anschauung
Kann durch das Studium von Buddhadharma entwickelt werden.
2. Gesinnung
Dukkha (Leiden) ist ein bleibendes Problem, gib dir Mühe, es zu durchschauen.
3. Rede
Böse Gedanken führen zu bösen Worten, bemerke es und stoppe.
4. Handeln
Diebe als auch ihre ihnen ähnlichen Freunde erscheinen in verschiedensten Formen.
5. Lebenserwerb
Beachte den Schaden den deine Arbeit verursachen kann.
6. Anstrengung
Verstehe, was Lebewesen gut tut und tue es.
7. Achtsamkeit
Wisse, was du tust.
8. Meditation
Lerne zu meditieren und mache es regelmässig.
Klingt unmöglich, hart oder sogar entmutigend. Warum nur Hinweise und nicht die unverblümte Wahrheit?
Erstens sind alle acht Übungen miteinander verwoben. Wenn du an einer arbeitest, arbeitest du an allen. Zweitens ist die Sprache ein grobes Werkzeug. Wir beginnen mit einem groben Verständnis und verfeinern dieses durch Üben. Bei diesem Prozess können wir eine Grenze erreichen bei der die Sprache sehr ungenau wird, als Werkzeug untauglich. Somit lässt sich eine unverblümte Wahrheit nicht fassen, schon gar nicht in Worte.
Nimm als Beispiel den richtigen Lebensunterhalt und das Stehlen. Niemand stiehlt ausser Dieben, schon gar nicht ich. Ich lebe in der Schweiz, einem Land mit einem ökologischen Fussabdruck, der fast dreimal so gross ist wie seine Biokapazität: wenn ich einfach hier existiere, profitiere ich vom gemeinschaftlichen Teil dieses inakzeptablen Fussabdrucks. Ich bestehle andere Lebewesen, und insbesondere die Zukünftigen. Und dann kommt noch mein Teil an Gedankenlosigkeit und lieblosem Handeln dazu, und und und…. Ich habe aber gelernt, mich irgendwie zu tolerieren und übe weiter.
Es gibt viele Kommentare zum Achtfachen Pfad. Eine, die ich hilfreich fand, wurde von Bhikku Bodhi, einem Theravada-Mönch, geschrieben, dessen Tradition sich im Pali-Kanon begründet. Der Titel des Kommentars lautet Der Noble Achtfache Pfad: Der Weg um das Leiden zu beenden. Dieser Kommentar ist auf accesstoinsight.org. zu finden.
Zusammenfassend lehren Die Vier Edlen Wahrheiten, dass wir Menschen leiden, weil wir uns über die drei Merkmale der Existenz eine falsche Vorstellung machen (Unbeständigkeit, Leiden, Nicht-Selbst). Der Achtfache Pfad ist die Methode, um diese Täuschungen zu reduzieren. Die Vernichtung aller Täuschungen beendet alles Leiden.
«Dhammacakkappavattana Sutta: Setting the Wheel of Dhamma in Motion» (SN 56.11), übersetzt aus dem Pali von Thanissaro Bhikkhu. Access to Insight (BCBS Edition), 30 November 2013.
Three more translations are hosted by accesstoinsight.org: Ñanamoli Thera (1993/2010), Piyadassi Thera (1999/2013), Peter Harvey (2007/2013).
Another translation “with the support of Thanissaro Bikkhu’s translation”, sets English side by side with Pali, with info-bubbles on every Pali word.
«The Noble Eightfold Path: The Way to the End of Suffering«, by Bhikkhu Bodhi. Access to Insight (BCBS Edition), 30 November 2013.
Burmesisch-Pali Manuskript Kopie des buddhistischen Mahaniddesa Sutta
Buddha postulierte, dass alle fühlenden Wesen drei Dinge gemeinsam haben, auch die Drei Daseinsmerkmale (Tilakkhana) genannt. Sie sind Unbeständigkeit (Anicca), Leiden (Dukkha) und Nicht-Selbst (Anatta).
Für Buddha war dies gelebte Realität. Für Skeptiker sind es Vermutungen oder Arbeitshypothesen, die sicherlich einer sorgfältigen Prüfung bedürfen. Die Untersuchung von Tilakkhana erfordert Zeit und Mühe, nicht nur Jahrzehnte, sondern Leben für Leben. Übersetzungen und weitere Kommentare finden sich im Abschnitt „Referenzen und Links“ weiter unten.
Unbeständigkeit ist ein universelles Konzept. Beständigkeit bedeutet keine Veränderung. Zeit ist das Mass für Veränderung, genauso wie Länge das Mass für Raum ist. Der einzige Ort der Beständigkeit ist also ein Ort ohne Zeit. Die Kosmologie lehrt dass das Universum einen Ausgangspunkt hat, den Urknall, bei welchem die Raumzeit ins Leben gerufen wurde. Es gab also einen Moment ohne Vergangenheit und Veränderung, aber seit dem Urknall gibt es nur noch Unbeständigkeit. Wenn alles ein Prozess ist, so muss alles durch die Zeit durchwoben sein. Alle Prozesse müssen ihrerseits innerhalb einer grösseren «Räumlichkeit» aufgehoben sein, ein Ort ohne Zeit ist die Voraussetzung dafür. In der Physik ist dies sowohl ein Rätsel als auch eine äusserst wichtige Frage.
Man ist versucht zu spekulieren, dass dieses zeitlose Was-Auch-Immer die Residenz der Buddhas ist. Hier kommt jedoch die Warnung von Buddha, selbst kein Freund von Spekulationen: Vergiss solchen Unsinn; übe, übe, übe.
Die Vorstellung, dass nichts dauerhaft ist, dass alles ein Prozess ist, hat auch abendländische Wurzeln in einem Zeitgenossen Buddhas aus dem 5. Jh. v. Chr. Der Grieche Herklitus von Ephesus (535 – 475 v. Chr.) erklärte dasselbe, obwohl der Ausdruck παντα ρει (panta rei, alles fließt), der gewöhnlich ihm zugeschrieben wird und der bezüglich Bedeutung korrekt ist, später hinzugefügt wurde. Die beiden hätten sich kaum kennen können. Der griechische Buddhismus, ein Treffen der hellenistischen und buddhistischen Kultur, begann mit Alexander dem Grossen (356 – 323 v. Chr.), der 326 v. Chr. den Indus erreichte. Somit hat das Konzept der Unbeständigkeit zwei Quellen, eine orientalische und eine abendländische. Meisterhafte Erkundungen des Prozesses als grundlegendes Ding der Realität, verdanken wir dem Mathematiker Alfred North Whitehead (1861-1947).
Duhkha wird oft als Leiden übersetzt. Allgemein ausgedrückt, das Leiden ist ein pauschales Nicht-So-Wie-Ich-Es-Gerne-Hätte.
Stell Dir einen Fisch in einem Ozean vor, der überall genau gleich ist; dieselbe Temperatur, denselben Druck, denselben Salzgehalt, dieselbe Sorte und Menge von Nahrung (z. B. Plankton). Wo immer der Fisch auch hingehen mag, was ihm gefällt und was ihm nicht gefällt bleibt sich gleich. Gelangweilt kann der Fisch getrost am selben Ort verweilen. Die Realität sieht anders aus. Temperatur, Druck, Salzgehalt usw. ändern sich ständig. Stellen Sie sich den Fisch an einem Ort vor, der sich perfekt anfühlt. Im nächsten Moment ist dieser Ort aufgrund der Unbeständigkeit weniger als perfekt, z.B. zu kalt. So kann der Fisch versuchen, dies zu korrigieren, indem er nach dem perfekten Ort sucht, womöglich ohne Ende bis zu seinem Tod.
Wir Menschen wissen es besser. Wir würden niemals nach Ruhm, Geld, Schönheit oder mehr-von-allem suchen und suchen. Wir wissen von ihrer Unbeständigkeit. Buddha lehrte, Extreme zu vermeiden. Konsum um des Konsums willen führt zur Anhäufung von Dingen, die weit über unsere Bedürfnisse hinausgehen. Dazu kommt dann noch der Stress, dass Erraffte vor Verlust schützen zu müssen.
Dukkha ist eine Erfahrung, je länger Du lebst, desto weniger kannst du es leugnen. Wir bekommen, was wir nicht wollen und wir bekommen nicht, was wir wollen, und dann gibt es auch noch den Verlust von Menschen, die für uns wichtig sind. Wir können drei Pandemien seit 2002 zur Kenntnis nehmen, SARS, MERS und COVID-19. Wir können zur Kenntnis nehmen: die Klimaveränderungen aufgrund der Verbrennung fossiler Brennstoffe, die Flüchtlinge aus Kriegen, das Leiden der Tiere für die Fleischproduktion, und endlos weiter. Unsere globale Konsumkultur ist Dukkha auf allen Ebenen.
Das Selbst ist schwierig, je mehr man nach dem Selbst sucht, desto unschärfer wird es. Die Menschen sind sich uneinig in Bezug auf die Existenz des Selbst. Die alten Hindus dachten, dass es so etwas gibt. Die semitischen Traditionen glauben dies ebenfalls, aber mit einer ewigen Seele im Kern, und die Agnostiker behaupten es sei nicht erkennbar. Buddha lehrte, dass es ein Selbst gibt, dieses aber seiner Natur nach eine Illusion sei. Genau durch diese illusionäre Natur Ursache für die Existenz und damit für die Erfahrung von Dukkha: das Selbst ist das Problem, das angegangen werden muss. Und damit meinte er das Üben des Achtfachen Pfades. Mach dir keine Sorgen um das Selbst, sondern tue etwas, um seine schwerwiegenden und belastenden Folgen zu reduzieren.
«Anicca Sutta: Impermanent» (SN 36.9), übersetzt aus dem Pali von Nyanaponika Thera. Access to Insight (BCBS Edition), 30 June 2010.
«Anatta-lakkhana Sutta» (The Discourse on the Not-self Characteristic» (SN 22.59), übersetzt aus dem Pali von Ñanamoli Thera. Access to Insight (BCBS Edition), 13 June 2010.
Two more translations are hosted by accesstoinsight.org: Thanissaro Bikkhu (1993/2013), N. K.G. Mendis (2007/2010).
«The Three Basic Facts of Existence: I. Impermanence (Anicca)«, by Bhikkhu Bodhi. Access to Insight (BCBS Edition), 30 November 2013.
«The Three Basic Facts of Existence: III. Egolessness (Anatta)«, with a preface by Ñanamoli Thera. Access to Insight (BCBS Edition), 30 November 2013.
Dies ist der Kern von Buddha Shakyamunis Einsicht. Was diese transformierende Erfahrung war, können wir nicht wissen. Wir wissen nur um seine Worte in diesem Sutta.
Hier müssen wir Buddha als Lehrer vertrauen dass er erkannte wie Karma funktioniert. Wenn er es falsch verstanden hat, haben wir ein grosses Problem. Er war kein Freund von blindem Glauben oder Spekulationen jeglicher Art, er machte dies immer wieder klar. Er war ein Freund der praktischen Erfahrung. Das Vertrauen, das ein Praktizierender durch das Üben des Achtfachen Pfades erlangen kann, beruht auf der Erfahrung, dass die Lehre in der praktischen Anwendung widerspruchslos funktioniert. Solange sich kein Widerspruch zeigt kann man sagen, dass der Pfad gut funktioniert. Warum nicht weitermachen, so lange es funktioniert? Man kann dümmere Dinge tun. Buddha dachte, dass niemand seine Kerneinsicht verstehen wird. Daher präsentierte er seine Einsicht in einer zweckmässigen Form, den Vier Edlen Wahrheiten, wobei die letzte Der Achtfache Pfad ist, um sich zu erklären. Wenn ich mir meine Lehrer anschaue, die ich treffen durfte, die alle jahrzehntelang geübt hatten und aus Erfahrung sprachen, dann erkenne ich in allen eine tiefe Ehrlichkeit.
Buddha formulierte das Sutta als eine Folge von Prozessen, bei denen ein Ersteres immer Voraussetzung für etwas Nachfolgendes ist und die zusammen einen Kreis bilden. Etwas genauer gesagt ist es eine Spirale um die Zeitachse, von A folgt B, von B folgt C und so weiter, bis von L ein neues A folgt. Wir drehen uns um diese Zeitachse weiter und weiter zur Buddhaschaft oder zum Ende der Zeit (je nachdem, was zuerst eintritt, wir sind hier sehr unwissend. Die Physik über das Ende des Universums ist weitaus mehr spekulativ als die Physik über den Anfang). Wenn man jedoch wegen A (Unwissenheit) nach L (Tod) weiterkriecht zu einem neuen A, so unterscheidet sich dieses neue A, nennen wir es A’, vom ursprünglichen A durch ein weiteres Leben voller Erfahrung und Reflexion. Die Sequenz sieht folgendermaßen aus:
A
aus Unwissenheit
folgen
Fabrikationen
B
B
aus Fabrikationen
folgt
C
C
aus Bewusstsein
folgen
Name und Form
D
D
aus Name und Form
folgen
die sechs Sinne
E
E
aus den sechs Sinnen
folgt
Berührung
F
F
aus Berührung
folgt
Gefühl
G
G
aus Gefühl
folgt
Verlangen
H
H
aus Verlangen
folgt
Festhalten
I
I
aus Festhalten
folgt
Werden
J
J
aus Werden
folgt
Geburt
K
K
aus Geburt
folgt
Altern, Freude / Trauer, Tod
L
Aus dem Tod folgt aus Unwissenheit eine Neugeburt, menschlich oder auf andere Weise, mit Fabrikationen und so weiter. Aufgrund von Unwissenheit tauchen wir in den Ozean der Existenz ein, erleben Freude und Trauer, beides Formen der Täuschung. Dann verlassen wir diesen Ozean, um die Spirale der abhängigen Entstehung fortzusetzen, bis wir uns aus der Unwissenheit befreien können, die uns in der Existenz gefangen hält.
Ich fragte Shifu Sheng Yen: «Was ist das definierende Merkmal fühlender Wesen?» Antwort: «Ein Nervensystem.» Damit ein Nervensystem sein kann, muss es ein Neuron geben. Neuronen hinterlassen keine direkten fossilen Beweise, aber koordinierte Bewegungen: Yilingia spiciformis, ein Wurm aus dem Ediacarium (eine geochronologischer Periode vor ca. 600 Millionen Jahren), zeigt versteinerte Bewegungsmuster. Diese Muster sind Evidenz von Bewegungskoordination. Und diese braucht ein Nervensystem. Kurz gesagt, es gibt Hinweise darauf, dass Lebewesen (fühlende Wesen) seit mehr als einer halben Milliarde Jahre auf der Erde existiert haben.
Dies erklärt, warum es wertvoll ist, als Mensch geboren zu sein. Es hat lange gedauert, bis die Evolution dort ankam, wo wir heute sind. Die meisten der heutigen Lebewesen sind Tiere mit einem Gehirn, welches eingeschränkter ist als unseres. Dies erklärt, warum es egoistisch sinnvoll ist, altruistisch zu sein: Unsere Welt mit allen Wesen zu schützen und freundlich mit ihnen zu sein ist umsichtig, weil wir möglicherweise zurückkommen und eines von ihnen sein müssen.
Dharma-Meister denken seit Jahrtausenden über abhängiges Mit-Entstehen nach. Natürlich können wir uns entscheiden, Buddhadharma zu praktizieren, während wir hier sind, aber was ist, wenn wir woanders hingehen? Die Tibeter haben eine Schilderung diesbezüglich, welche sicherlich auch von ihrer Kultur mitgeprägt ist. Diese Schilderung, niedergeschrieben im Bardo Thödol, dem tibetischen Totenbuch beschreibt eine mögliche Befreiung durch das Erkennen im Bardo. Das tibetische Totenbuch soll von Karma Lingpa (1326-1386) offenbart worden sein. Die allererste englische Übersetzung von Lama Kazi Dawa-Samdup wurde zusammengestellt und bearbeitet von W. Y. Evans-Wentz (1927), und ist on-line erhältlich. Eine neuere Übersetzung, aus dem Jahre 1975 verdanken wir Chögyam Trungpa (1939-1987).
«Paticca-samuppada-vibhanga Sutta: Analysis of Dependent Co-arising» (SN 12.2), übersetzt aus dem Pali von Thanissaro Bhikkhu. Access to Insight (BCBS Edition), 30 November 2013.
Another translation of the sutta can be found at dhammatalks.org by Thanissaro Bhikkhu.
Burmesisch-Pali Manuskript Kopie des buddhistischen Mahaniddesa Sutta
Dieses Sutta verbindet die letzten beiden Praktiken des Achtfachen Pfades, Achtsamkeit und Meditation. Meditation ist eine Sammlung mehrerer Methoden, die aber alle achtsam angewendet werden müssen.
Eine Methode besteht hier darin, den Atem zu beobachten, einzuatmen und auszuatmen. Es kann sein, dass es eine der Methoden ist, die Buddha selbst gelernt hat, bevor er zum Buddha wurde. Sie kann eine der ältesten Methoden sein, wenn nicht die älteste, die noch praktiziert wird. Eine der heute oft instruierten Anweisungen: Zähle die Atemzüge, beim Ausatmen, in der Muttersprache, von eins bis zehn und immer wieder von vorne. Hört sich langweilig an und ist es auch. Die meisten Meditationsmethoden sind langweilig. Wenn die Konzentration versagt, zähle von zehn bis eins und wiederhole es immer wieder….
«Anapanasati Sutta: Mindfulness of Breathing» (MN 118), übersetzt aus dem Pali von Thanissaro Bhikkhu. Access to Insight (BCBS Edition), 30 November 2013.
Another translation of the sutta can be found at dhammatalks.org by Thanissaro Bhikkhu.
Dieser Rat ist wahrscheinlich einzigartig in den spirituellen Lehren der Menschheit, er wäre den Glaubensreligionen sicherlich fremd. Es lehrt, den Lehren zu folgen, aber auch die Gültigkeit der Lehren selbst zu überprüfen.
Die Leute von Kalama hatten vermutlich ihre Mühe mit Lehrern. Sie müssen widersprüchliche Inhalte von Brahmanen und Asketen erhalten haben, die dazu noch despektierliche Haltungen untereinander eingenommen hatten. Sie müssen sich unsicher gewesen sein, welche Lehrenden der Wahrheit entsprochen hätten und welche nicht. Es scheint, dass Buddha den Zugang zu ihnen gefunden hat, indem er zunächst bestätigte, dass es wichtig ist zu zweifeln, dass es wichtig ist bestimmte Wege der Erlangung von Wissen auszuschliessen, auf denen Wissen erlangt wurde, und dass es schliesslich ausschlaggebend ist der eigenen Erfahrung zu vertrauen.
1. Aufgeschnappt / Hörensagen
2. Wiederholt / von Tradition stammend
3. Was man erwarten würde
4. Als Texte überliefert
5. Logisches Denken
6. Basierend auf Schlussfolgerungen
7. Überlegungen abgeleitet von Erscheinungen
8. Glaube hergeleitet aus Abwägungen
9. Möglich
10. Verehrte Lehrer/innen
Wissenschaftler mögen die Schultern zucken – das entspricht unserem Vorgehen sowieso. Spirituelle Suchende mögen sagen, es scheint nicht wichtig zu sein, wie ich was und wann mache. Das wäre eine falsche Haltung, sicherlich nicht das, was Buddha meinte. Er lehrte eine Methode, den Achtfachen Weg. Das Anwenden dieser Methode führt zu Erfahrungen. Diese mögen zunächst sehr einfacher Natur sein, beispielsweise Beinschmerzen bei der Meditation. Dann ist das zunächst was erfahren wird, und dem man Aufmerksamkeit schenken muss.
Schau und urteile selbst. Wenn du verwirrt bist, frage einen Dharma-Lehrer. Der Rat sollte mit der Lehre übereinstimmen. Wenn er nicht übereinstimmt, könnte dies ein Zeichen für einen falschen Dharma-Lehrer sein.
«Kalama Sutta: To the Kalamas» (AN 3.65), übersetzt aus dem Pali von Thanissaro Bhikkhu. Access to Insight (BCBS Edition), 30 November 2013.
Another translation of the sutta can be found at dhammatalks.org by Thanissaro Bhikkhu.
Another version is hosted by accesstoinsight.org: Soma Thera (1994/2013).
Die obigen Lehrreden behandeln die wichtigsten Erkenntnisse von Buddha Shakyamuni. Sie drücken sein Verständnis darüber aus, wie das Universum für uns Lebewesen funktioniert, wie Karma funktioniert: Existenz ist die Folge von Unwissenheit bezüglich Unbeständigkeit, Leiden und Nicht-Selbst. Der Achtfache Weg ist der Weg zur Befreiung.
Im Sanskrit bedeutet Sutra Faden. In den Worten von Meister Sheng Yen: «…wie in einer Perlenkette, die eine vollständige Halskette bildet. Sutras sind somit Perlen der Weisheit Buddhas (Prajna), die zu einem riesigen, zusammenhängenden Körper aufgezeichneter Lehren zusammengeführt werden… “ In der buddhistischen Tradition sind die Sutras Kommentare von Praktizierenden nach Buddha Shakyamuni, im Gegensatz zu den Suttas, die seine Lehren sind. Die Autoren der Sutras sind meines Wissens unbekannt, mit Ausnahme von Huineng, dem sechsten Chan-Patriarchen, der Autor des Plattform-Sutra ist. Das Studium der Sutras lässt keinen Zweifel daran, dass diese Autoren herausragende Praktiker mit tiefen Einsichten waren.
Ein Thema fällt auf: Sunyata, Leere, der Schwerpunkt von Nagarjuna (ca. 150 – ca. 250 n. Chr.). Buddha betonte, dass alle Phänomene, alle Dhammas, und nicht nur Lebewesen, ohne zugrunde liegende Essenz sind, leer von unabhängiger Existenz, leer von Selbstnatur. Nagarjuna, ein sehr bedeutender buddhistischer Philosoph und Begründer von Madhyamaka, dem Mittelweg, betonte die Logik, insbesondere eine Methode namens reductio ad absurdum (Stell Dir jemanden vor, der behauptet, „1 ist nicht gleich 1“. OK, Du bist tolerant und bereit es zu prüfen. Nach sorgfältiger Untersuchung kommt der Schluss, dass „1 ungleich 1“ absurd ist, und daher ist die Aussage falsch.).
Alle Phänomene sind voneinander abhängig. Ein Phänomen entsteht, weil es Bedingungen gab, die es möglich machten. Der Wissenschaftler mag sagen: «OK, OK, wir haben keine Beweise gegen eine alles durchdringende gegenseitige Abhängigkeit. Aber was ist mit dem Anfangszustand, dem allerersten Zustand, bevor es einen ersten gab?» Meine Antwort als Wissenschaftler lautet: es gibt keine Antwort darauf. Und die schmerzhafte Note dieser Frage schwindet mit der Praxis. Meiner Meinung nach ist es ein Gongan (Koan), eine Frage ohne Antwort, ganz gewiss ohne konventionelle Antwort.
Soweit ich weiss hat Nagarjuna dieses Dilemma so erklärt. Svabhava, was Eigennatur bedeutet, ist die bedingungslose, intrinsische Natur aller Wesenheiten. Nenne es die höchste Wahrheit, Paramartha. Das Bedingte, das, was Existenz erlangt durch unser subjektives Betrachten, nennen wir konventionelle Wahrheit Samvriti. Offensichtlich können die beiden Wahrheiten nicht die gleiche sein, das wäre ein absurder Standpunkt. Aber sie können auch nicht unabhängig voneinander sein, weil das Konventionelle irgendwie in der höchsten Wahrheit enthalten sein muss.
Da intrinsisch bedeutet, nicht von anderen Entitäten abhängig zu sein, sieht es so aus, als ob intrinsisch nicht möglich ist, da alle Phänomene voneinander abhängig sind. Somit ist Svabhava unmöglich. Wir gewöhnlichen Wesen beschränken uns in unserer Erfahrung auf das Bedingte. Daher ist das Bedingte das Einzige das wir für möglich halten. Buddha sah darüber hinaus, er sah in der Art und Weise wie Karma funktioniert, den Motor, der das Leiden am Laufen hält. Wir haben die Wahl, ihm zu vertrauen oder ihm nicht zu vertrauen.
Buddhasutra.com, eine Website, die sich der Erhaltung aller bekannten Sutras widmet, listet 499 auf, eine grosse Menge an Wissen. Die Seite ist auch ein Versuch, einer Warnung Beachtung zu schenken: Wir leben in einer Dharma-Endzeit. Das Verschwinden von Sutras ist eine schlechte Nachricht, das Verschwinden aller Sutras, so heisst es, sei der Beginn eines Zeitalters, in dem Gewalt und Grausamkeit herrschen.
Zumindest für den Moment bevorzuge ich die optimistische Sichtweise, weil die Verbreitung von Wissen nie einfacher war als heute und einige von uns wirklich versuchen zu verstehen. Dieses Wissen ist jedoch so gross, dass das Lebensende möglicherweise vor dem Studienabschluss kommt. Aus diesem Grund und für die Art und Weise, wie Buddha seine tiefsten Einsichten erlangte, stellt Chan die Meditation über das Buchstudium.
Maha bedeutet gross, Prajna Weisheit, Paramita Vollkommenheit, Hridaya Herz, daher die Übersetzung Sutra vom Herzen der großen vollkommenen Weisheit. Trotz seines unfreundlichen Namens ist es ein ideales Sutra um Einzusteigen. Es ist eine kurze, prägnante Zusammenfassung, es ist der Kern der Lehre. Es fügt sich in die von Nagarjuna begründete Tradition ein. Es ist Teil eines grossen Sutras, des Mahaprajnaparamita-Sutra, wo es an drei Stellen vorkommt. Die meisten Gelehrten stimmen einer indischen Herkunft zu. Es wird oft täglich von vielen Praktizierenden und in vielen Zentren gesungen (gechantet).
Die anderen 498 Sutras weisen auf eine komplizierte Debatte über zwei Jahrtausende hin. Chan hielt Abstand dazu: Setz dich hin und meditiere. Einige sagen, die verschiedenen Richtungen im Chan-Buddhismus (Chan-Schulen) hätten alle Schriften abgelehnt und seien einem Pfad „außerhalb der Schriften“ gefolgt. Wahre Einsichten können niemals schriftlich niedergelegt, sondern nur erlebt werden. Chan ist eine Schule wie jede andere, Meister Sheng Yen hat diese Meinung immer betont. Wir alle üben nach den Ratschlägen der Schriften, wir können alle tiefe Erfahrungen machen. Unabhängig von der Schule können diese Erfahrungen jenseits von Worten und Konzepten liegen. Wir können diese Erfahrungen „die Natur des Geistes sehen“ nennen. Sie treten auf und werden normalerweise in Lehrer-Schüler-Beziehungen untersucht und bestätigt.
Im Vergleich zu solchen Erfahrungen verblasst die Bedeutung von Lehre und Ritual. Lehre und Ritual sind zweckmässige Mittel. Sobald die Einsicht vertieft ist, schwindet ihre Bedeutung. Aber vergiss nicht, die Notwendigkeit der Disziplin bleibt bestehen, bis zum Ende des Lebens. Meister Sheng Yen und seine Lehrer sind Beispiele dafür.
Ein kurzer Kommentar von Meister Sheng Yen zum Herzsutra von 2001 ist auf ddmbanj.org verfügbar. Der vollständige Text wurde 2001 veröffentlicht: There Is No Suffering. Dharma Drum Publications, Elmhurst, New York. 133 p. Eine deutsche Übersetzung kann über diese Seite erstanden werden.
Die erste englische Übersetzung, ein Meisterwerk der akademischen Arbeit, verdanken wir Edward Conze (1904-1979), die erstmals 1958 veröffentlicht wurde: Buddhist Wisdom Books: The Diamond and the Heart Sutra. Das Buch kann kostenlos für 14 Tage vom INTERNET ARCHIVE ausgeliehen werden.
Tenzin Gyatso, der Vierzehnte Dalai Lama, veröffentlicht 2005 das Buch «Essence of the Heart Sutra». Übersetzung aus dem Tibetischen von Geshe Thupten Jinpa. Wisdom Publications, Somerville MA, USA. Diese Werk ist wichtig, weil die Tibeter seit mehr als einem Jahrtausend die Tradition von «Sorgfältigster Übersetzung» pflegen. Ihr Streben nach Präzision durch philosophisches Denken und Dialog ist einzigartig. Es gibt drei buddhistische Kanons, der Pali, der Chinesische und der Tibetische. Keiner ist vollständig, sie ergänzen sich gegenseitig.
Der Dalai Lama ist auch ein herausragender Gelehrter. Ich weiss etwas darüber, da ich ihn persönlich getroffen habe. Aber was noch wichtiger ist, ist dass ich Tsenshab Rinpoche getroffen habe. Meine verstorbene Frau, die Chinesin war, wollte nicht nur Pali und Sanskrit lernen, sondern auch Tibetisch, eine weitere lebende Dharma-Sprache. Um 1989 entdeckte sie Tsenshab Rinpoche, einen Tibeter, der in der Nähe von Zürich lebte. Zuerst fing sie an von ihm zu lernen, und dann lernten wir beide von ihm. Es stellte sich heraus, dass er der Sechzehnte Tsenshab Rinpoche war, der eigentliche Dialogpartner des Dalai Lama, wenn die Geschichte anders gewesen wäre. Was für ein Privileg, eine solche Person getroffen zu haben.